Experte im Gespräch

Rückversicherungen gewinnen weiter an Bedeutung.“

Im Gespräch. Johannes Martin Hartmann über Aufgaben und Herausforderungen einer Rückversicherung.

Johannes Martin Hartmann, Vorstandsvorsitzender der VIG Re, Prag (Illustration)

Johannes Martin Hartmann,

Vorstandsvorsitzender der VIG Re, Prag

Welche Rolle übernimmt eine Rückversicherung gegenüber einer Erstversicherung?

Eine Rückversicherung übernimmt den Teil der Versicherungsrisiken, der den Risikoappetit des Erstversicherers übersteigt. Das gilt vor allem für Naturkatastrophen, aber auch für andere Großrisiken wie etwa schwere Industrierisiken.

Welche Vorteile gehen damit für Erstversicherungen einher, auch hinsichtlich Solvenzkapital?

Eine Rückversicherung ermöglicht es dem Versicherungsunternehmen, Risiken zu zeichnen, die ohne eine derartige Rückdeckung seine Bilanz und Solvabilität zu stark belasten würden. Neben dem Risikotransfer stellt Rückversicherung somit auch eine Form der Eigenkapitalsubstitution dar. Mit Einführung des Solveny-II-Regelwerks im Jahr 2016 werden die Anforderungen an die Versicherungsunternehmen hinsichtlich Kapital- und Risikomanagement erheblich steigen. Die Bedeutung der Rückversicherung wird noch weiter zunehmen.

Wie sichern sich Rückversicherer selbst gegen Großereignisse ab?

Rückversicherungen decken ihre Risikospitzen durch sogenannte Retrozession (Weiterrückversicherung) wiederum ab. In den letzten Jahren werden aber auch zunehmend Kapitalmarktinstrumente eingesetzt, etwa in Form von Versicherungsverbriefungen.

Täuscht der Eindruck, dass die Anzahl und Intensität von Naturkatastrophen stetig steigen?

Nein, in den letzten 20 Jahren war tatsächlich eine signifikante Zunahme von Naturkatastrophen zu verzeichnen. Wir müssen davon ausgehen, dass man dies nicht nur auf eine zufällige Häufung zurückführen kann, sondern hierfür der globale Klimawandel mitverantwortlich ist. Für die Versicherungswirtschaft sind damit weitreichende Herausforderungen verbunden. Insbesondere nimmt die Bedeutung analytischer Modelle bei der Risikobewertung weiter zu. Angesichts der Häufung sogenannter „Jahrhundertereignisse“ möchte ich aber vor einer zu starken Modellgläubigkeit warnen. Die gute Nachricht ist, dass dennoch keine Engpässe bei der Rückversicherung von Naturgefahren zu erwarten sind. Im Gegenteil: Rückversicherung ist derzeit so günstig wie schon lange nicht mehr.