Der Vorstand der VIG im Gespräch

Wir wollen weiter stärker als der Gesamtmarkt wachsen“

Hintergründe. Zum Geschäftsjahr 2014, zu aktuellen Herausforderungen der Versicherungswirtschaft und zukünftigen Vorhaben.

Auch 2014 war für die Wirtschaft in Europa kein leichtes Jahr. Wie konnte sich die VIG behaupten?

Hagen: Sehr gut aus meiner Sicht. Wir haben die führende Position der Vienna Insurance Group ausgebaut, sind stärker gewachsen als der Gesamtmarkt und mit einem Marktanteil von 19% die Nummer 1 in unseren Kernmärkten. Neben der Fortsetzung wichtiger strategischer Projekte haben wir auch aus operativer Sicht schöne Erfolge erzielt und das Prämienvolumen mit EUR 9,1 Mrd. auf stabilem Niveau gehalten. Und das trotz negativer Wechselkurseffekte, der notwendigen Optimierungsmaßnahmen in Italien und einer sehr bewussten Reduzierung bei margenarmen kurzfristigen Einmalerlägen in Polen. In Summe ist das in meinen Augen ein wirklich herzeigbarer Erfolg.

Konkret: In welchen Märkten hat die VIG im Jahr 2014 besonders gut abgeschnitten?

„Mit einem Wachstum von 8,9% haben sich die Übrigen Märkte besonders stark entwickelt.“

Peter Höfinger

Höfinger: Ich möchte hervorheben, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2014 in allen Märkten sehr gute Arbeit geleistet haben. Besonders positiv hat sich dieses Engagement auf die Prämienentwicklung der Übrigen Märkte ausgewirkt – die erzielte Steigerung um 8,9% verdient wirklich unsere aufrichtige Anerkennung. Von den CEE-Ländern waren dafür vor allem die starken Zuwächse der laufenden Prämien, aber auch der Einmalerläge bei Lebensversicherungen im Baltikum, in Bulgarien und auch in Ungarn hauptverantwortlich. In Georgien und Albanien haben wir im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung in Lokalwährung ein Wachstum von rund 50,8% bzw. 40,4% erzielt. Das sind beachtliche Erfolge, auf die die Verantwortlichen stolz sein können. Darüber hinaus haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jahr 2014 gezeigt, dass bei uns „Hands-on“-Mentalität tatsächlich gelebt wird. In Extremsituationen helfen alle zusammen und packen an – so wie beim Hochwasser auf dem Balkan. Unbürokratische Hilfe und eine rasche Schadenabwicklung waren für unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort eine Selbstverständlichkeit.

Ist dieses Engagement quasi ein „Mehrwert“, der die VIG besonders auszeichnet?

Höfinger: Ja. Das sehe ich absolut so. Wirtschaftlicher Erfolg gepaart mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein, das macht uns aus.

Werfen wir einen Blick auf den österreichischen Markt …

Hagen: In Österreich, nach wie vor unser größter Einzelmarkt, konnten wir das Prämienaufkommen mit rund EUR 4.077,0 Mio. im Vergleich zum Vorjahr leicht ausbauen. Die Wiener Städtische ist erfreulicherweise überdurchschnittlich gewachsen und konnte somit den Rückgang der Donau Versicherung in Italien kompensieren. Für einen reifen Markt wie Österreich ist das eine wirklich schöne Leistung. Die s Versicherung wiederum konnte an die guten Ergebnisse der Vorjahre anknüpfen.

Inwieweit spiegeln sich diese Erfolge auch in der Ergebnisentwicklung wider?

„Mit EUR 518,4 Mio. liegt der Gewinn vor Steuern um 46,0% über Vorjahresniveau.“

Martin Simhandl

Simhandl: Die verrechneten Prämien bilden naturgemäß den Ausgangspunkt unserer Ertragsrechnung. Ein Blick auf die Gewinn- und Verlustrechnung macht aber rasch klar, wie stark die Aufwendungen für Versicherungsfälle sowie für Versicherungsabschluss und -verwaltung die Ergebnisentwicklung beeinflussen. Im Bereich Nichtleben konnten wir das versicherungstechnische Ergebnis verbessern, und trotz eines generell niedrigeren Zinsniveaus liegt der Konzerngewinn vor Steuern mit EUR 518,4 Mio. um 46,0% über dem Vorjahresniveau.

Ihre Bewertung des Ergebnisses 2014?

Simhandl: In Anbetracht mehrerer negativer Effekte wie zum Beispiel der Wertberichtigung der Hypo-Alpe-Adria-Anleihen von insgesamt EUR 79 Mio. ist dieses Ergebnis durchaus zufriedenstellend.

Hagen: Im Jahr 2014 lieferten alle Geschäftsbereiche und Regionen der VIG, zum ersten Mal seit 2011, im Jahresvergleich wieder einen positiven Beitrag zum Gewinn vor Steuern. Hier zeigt sich auch, dass sich unsere Anstrengungen zur Effizienzsteigerung der letzten Jahre im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt machen. Trotz eines größeren Geschäftsvolumens konnten wir etwa die Verwaltungsaufwendungen während der letzten sechs Jahre um rund 7,4% senken.

Wie wirken sich diese Maßnahmen auf die Combined Ratio aus?

Simhandl: Sie liegt bei 96,7% und damit im Gegensatz zum Vorjahr deutlich unter der 100%-Marke. Mit diesem Wert können wir zufrieden sein, auch weil wir dank dieses positiven versicherungstechnischen Ergebnisses die Abhängigkeit von Kapitalerträgen reduzieren. Als Konsequenz dieser erfreulichen Entwicklungen werden wir der Hauptversammlung eine Dividende in Höhe von EUR 1,40 je Aktie für das Geschäftsjahr 2014 vorschlagen. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren es EUR 1,30.

Konnten die Fehlentwicklungen in Rumänien und Italien mittlerweile bereinigt werden?

„Die Restrukturierungsmaßnahmen in Rumänien zeigen ihre Wirkung.“

Franz Fuchs

Fuchs: Zum Großteil ja. In Rumänien haben wir bereits mit Beginn der irrationalen Geschäftspraktiken einiger Mitbewerber den Entschluss gefasst, das Kfz-Portfolio zu reduzieren. Im Nachhinein betrachtet eine goldrichtige Entscheidung. Das zeigt auch das positive Ergebnis für 2014. In Italien führten die aus den Schadenverläufen notwendig gewordenen Optimierungsmaßnahmen zu einem Geschäftsrückgang, den wir bewusst in Kauf genommen haben. Parallel dazu wurde ein effektives Management zur Schadenabwicklung eingeführt. Die damit einhergehenden Kosten in Verbindung mit den stark gesunkenen Prämien belasten zwar noch das Ergebnis, die eingeschlagene Richtung stimmt aber aus unserer Sicht.

Inwieweit beeinflusste die Krise in der Ukraine den Geschäftsverlauf?

Hagen: Die Lage in der Ukraine ist für die Menschen enorm schwierig und es bleibt zu hoffen, dass sich die Situation bald entspannt. Die VIG ist auf der Krim und den umkämpften Gebieten der Ostukraine kaum vertreten, weshalb aus rein geschäftlicher Sicht keine spürbaren Auswirkungen zu verzeichnen waren. Das lokale Management hat die Situation perfekt gemeistert und in Lokalwährung ein Prämienwachstum von 16,3% erzielt – und damit bewiesen, dass sich das VIG-Prinzip des lokalen Unternehmertums bewährt. Wir verstehen diesen Erfolg als Beweis dafür, dass unsere Kunden gerade auch in Krisenzeiten auf die Stabilität der ukrainischen VIG-Konzerngesellschaften vertrauen.

Wie schätzen Sie die Wirtschaftslage in Zentral- und Osteuropa insgesamt ein?

„Wir sind unverändert vom großen Potenzial unserer CEE-Märkte überzeugt.“

Peter Hagen

Hagen: Eine häufig gestellte Frage – meine Antwort bleibt immer dieselbe: langfristig sehr gut. Und auch die aktuellen Frühindikatoren lassen positive Tendenzen für CEE erkennen – zumindest bessere als für Westeuropa. Ob eine Konjunkturerholung auch die Versicherungsnachfrage erhöhen wird, hängt meines Erachtens davon ab, inwieweit sich das auf das Realeinkommen breiter Schichten der Bevölkerung auswirkt und ob sich dadurch eine solide Mittelschicht bilden kann. In den letzten 25 Jahren konnten wir beobachten, dass die Versicherungsnachfrage nicht einer exponentiellen Kurve, sondern einer Art Treppe folgt. Die aktuelle Ruhephase nutzen wir zur weiteren Stärkung des Vertriebs und zur Optimierung unserer Strukturen, damit wir für zukünftige Wachstumsphasen bestmöglich aufgestellt sind. Wie wichtig unsere CEE-Märkte heute schon sind, zeigt ihr Anteil von 50,9% an den Prämien und rund 63,9% am Gewinn vor Steuern.

Fuchs: Polen liefert auch ein gutes Beispiel für die Optimierung unserer Strukturen. Mit der erfolgreichen Verschmelzung der beiden Lebensversicherer Compensa und Benefia konnten wir unseren Marktauftritt stärken. Derartige Fusionen kommen für uns immer dann in Frage, wenn dadurch erzielte Synergieeffekte stärker sind als die Vorteile eines differenzierten Marktauftritts.

Themenwechsel: Wie laufen die Vorarbeiten für Solvency II bei der VIG?

Hagen: Die Arbeiten sind sehr umfangreich – die bestehenden Regelungen zu Solvency I umfassen knapp 200 Seiten, die Grunddokumente zu Solvency II über 3.000. Trotz dieses Pensums liegen wir konzernweit gut im Plan – auch weil wir frühzeitig begonnen und ein effektives Projektmanagement aufgesetzt haben. Mit den zuständigen Aufsichtsbehörden stehen wir zur Abstimmung des partiellen internen Modells, das wir verfolgen, im regelmäßigen Austausch, damit wir bei Inkrafttreten gut gerüstet sind.

Inwieweit wird Solvency II die Strategie der VIG beeinflussen?

Simhandl: Zum einen geht es darum, dass die Kapitalausstattung der Versicherungen im Einklang mit den übernommenen Risiken stehen. Die VIG verfolgte diesbezüglich auch bislang schon einen konservativen Ansatz, der zu einer deutlichen Überdeckung der vorgeschriebenen Solvenzquote führte. Somit erwarte ich keinen besonderen Adaptierungsbedarf, auch weil wir mit einer Solvenzquote nach Solvency I von mehr als 200% per Jahresende 2014 über eine ausgezeichnete Kapitalausstattung verfügen. Das bestätigt auch das Rating von Standard & Poor’s von „A+ mit stabilem Ausblick“. Inwieweit sich die Bestimmungen jedoch auf die konkrete Produktgestaltung auswirken werden, gilt es abzuwarten, vor allem im Bereich der Lebensversicherungen.

Inwieweit spielt die neue Anleihe dabei ein Rolle?

Simhandl: Die nachrangige Anleihe, die wir im Februar 2015 mit einem Volumen von EUR 400 Mio. erfolgreich platziert haben, entspricht den Anforderungen an Tier-2-Eigenmitteln nach Solvency II. Wir wollten damit im Rahmen unserer allgemeinen Finanzierungsstrategie vor allem das aktuell niedrige Zinsniveau nutzen. Während der ersten elf Jahre beläuft sich der Kupon auf 3,75%, danach erfolgt eine variable Verzinsung. Diese Anleihe wurde sowohl bei privaten als auch institutionellen Anlegern v.a. in Österreich platziert.

Ihr Ausblick für 2015?

Hagen: Unser ganz klares Ziel ist auch für 2015, stärker als der Gesamtmarkt zu wachsen. Dabei konzentrieren wir uns weiterhin auf die CEE-Region. Auch wenn wir uns derzeit in einer Marktruhephase befinden, wollen wir unsere Marktanteile durch organisches Wachstum ausbauen. Und wenn sich darüber hinaus Akquisitionsmöglichkeiten zu vernünftigen Preisen auftun, die das Portfolio der VIG strategisch sinnvoll ergänzen, dann werden wir zuschlagen. Das aktuelle Niedrigzinsumfeld wird aus heutiger Sicht zu einem Rückgang im ordentlichen Finanzergebnis führen. Wir erwarten nicht, dass wir diesen Rückgang durch die angestrebte weitere Verbesserung des versicherungstechnischen Ergebnisses überkompensieren können. Höhere Kapitalerträge durch höhere Risiken in der Veranlagung anzustreben, kommt für uns nicht in Frage – wir bleiben unserer konservativen Veranlagungspolitik auch in Zukunft treu. Diese Grundhaltung spiegelt sich auch im Titel dieser Zeitung wider – die VIG geht auf „Nummer sicher“ – im Sinne und zum Vorteil all unserer Stakeholder.

Corporate Governance

Detaillierte Informationen über die Verantwortungsbereiche der Vorstandsmitglieder finden sich im Abschnitt Corporate Governance des Konzernberichts 2014.