Digitalisierung ist Chance und Herausforderung zugleich

Ein Megatrend und seine Auswirkungen auf das Versicherungsgeschäft. Neue Geschäftsmodelle und Innovationen als Folge der Digitalisierung machen auch vor dem Versicherungssektor nicht Halt.

Susanne Chishti (Foto, © Vanity Studios, London)

Susanne Chishti CEO FINTECH Circle

Der Trend zur Digitalisierung ist nicht neu. Schon vor Jahren wurden handgeschriebene Briefe durch E-Mails und Fotoapparate durch Digitalkameras ersetzt. Das Navigationsgerät kommuniziert mit Satelliten und Verkehrsleitzentralen und demnächst wird der Stromverbrauch über Smart Meter gemessen.

Zunehmende Vernetzung und Datenaustausch machen natürlich auch nicht vor dem Versicherungssektor Halt. Es sind folgende Trends, die sich in diesem Kontext abzeichnen und die möglicherweise künftig eine entscheidende Rolle spielen könnten:

Zum einen der verstärkte Einsatz von Technologie, um Kosten zu sparen. Viele Prozesse erfordern heute noch manuellen Aufwand oder papierhafte Dokumentation. Digitale Technologien bieten die Möglichkeit, viele Arbeitsschritte zu automatisieren, was zu Beschleunigung und steigender Kundenzufriedenheit führt. In diese Richtung geht etwa der verstärkte Trend, Schadenfälle automatisiert abzuwickeln.

Daneben werden die Services der Versicherungen individualisierter, indem sie mehr auf die Bedürfnisse einzelner Kunden oder Kundengruppen eingehen. Dabei werden eine explizite Datenstrategie und die Fähigkeit, Kundendaten zu analysieren, ein klarer Wettbewerbsvorteil sein. Für die digitalisierte Wirtschaft der Zukunft kann der Wert von Daten nicht hoch genug eingeschätzt werden, genauso deren Visualisierung und Interpretation, um schnellere und bessere Entscheidungen treffen zu können.

Im Umgang mit Kunden wird es weniger wichtig sein, reinen Produktverkauf zu betreiben, sondern aus den Daten den Kontext und das zugrundeliegende Bedürfnis zu erkennen. Versicherungen müssen zu den konkreten „Lebensentscheidungen“ der Kunden präsent sein und den passenden, individuellen Service anbieten können. Dazu gehören auch Versicherungen, die spezielle Risiken über kürzere Zeiträume abdecken.

„Auch Kollaboration ist ein Ausdruck der Digitalisierung.“

Auch vermehrte Kollaboration ist ein Ausdruck der Digitalisierung. Viele Unternehmen schließen sich in Plattformen zusammen, um gemeinsame Lösungen für bevorstehende Herausforderungen zu finden. Befeuert wird das durch das Auftauchen vieler kleiner IT-getriebener Start-up-Unternehmen. Sogenannte FinTechs – oder InsurTechs – wenn es sich um speziell assekuranzbezogene Start-ups handelt – bieten über digitalisierte Kanäle einzelne Elemente aus der Produktpalette von Banken und Versicherungen an. Zumeist agieren sie abseits des regulatorischen Rahmens und vermitteln in der Regel Produkte etablierter Anbieter, mit denen sie häufig über Kooperationen und offene Schnittstellen verbunden sind. Versicherungen könnten so verstärkt zu Plattformen für Partner mit komplementären und zusätzlichen Produktangeboten werden.

Interessant ist auch die Idee der sogenannten Blockchain. Diese basiert auf dem Prinzip, digitale Transaktionen nicht über zentrale Clearingstellen zu führen, sondern dezentral zu verbuchen und zu bestätigen. D.h. die Blockchain würde zu einer Vereinfachung und somit deutlichen Beschleunigung der Online-Zahlungsabwicklung führen, was dem Trend zur Digitalisierung von Geschäftsabschlüssen und Prozessen weiteren Vorschub leisten würde.

Viele etablierte Unternehmen sind gerade dabei, diese neue Technologie zu analysieren. Mögliche Effekte sind schnellere, bequemere und sichere Online-Services für Kunden, eine deutliche Reduktion der manuellen Arbeiten und papierhaften Dokumentation bei gleichzeitig verbesserter Auditfähigkeit.

Wichtig wird sein, all diese Trends im Auge zu behalten und deren Zukunftspotenzial sorgfältig abzuwägen. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der Tatsache, dass künftige Kundengenerationen mit ihrer Versicherung anders interagieren werden als heutige.

Zur Person

Susanne Chishti
Die gebürtige Grazerin Susanne Chishti hat sich, nach vielen Jahren Führungserfahrung im internationalen Finanzwesen, ganz der Digitalisierung der Branche verschrieben. Sie ist CEO des „Fintech Circle“, einem Londoner Unternehmen, das sich der Finanzierung junger Finanz-Start-ups widmet.